Entspannung als integraler Teil von Yoga

Entspannung als integraler Teil von Yoga

Als ich mit Eva Panny überlegte, wen wir zu unserem Schwerpunktthema Entspannung als Autor:in für die Mitgliederzeitschrift von Yoga Austria – BYO gewinnen könnten, schlug ich ihr vor, gemeinsam auf unsere Website unter https://www.yoga.at/yogalehrerin-finden zu suchen. Diese einfache Möglichkeit, Yogalehrende nach Schwerpunkten online zu suchen, ist quasi der „Expertenpool“ unseres Verbandes. Oben rechts befindet sich ein großer, roter Button mit der Aufschrift „Yogalehrende finden“, welcher zuverlässig zur Suchmaske verlinkt. Wir gaben im ersten Feld „Suche nach: Entspannung“ und im zweiten Feld „Suche in: Traditionen/Schwerpunkte“. ein. Es poppten dazu 23 Einträge auf. Die Suche zum Stichwort „Yoga Nidra“ ergab 7 Einträge, „Tiefenentspannung“ und „regeneratives Yoga“ wurden von je einem Lehrenden angegeben. Genug Futter also, um bei diesen Damen und Herren nachzufragen, ob sie uns einen Fachartikel zur Verfügung stellen könnten.

Mein Name tauchte beim Schlüsselbegriff Entspannung nicht auf. Bei mir findet man unter Schwerpunkte: „Hatha Yoga, Faszien-Yoga, Office Yoga, Yoga und Tönen, Philosophie, Mitarbeit bei Yoga for Future“. Anlass genug darüber nachzudenken, warum ich und die restlichen derzeit 296 aktiven Yogalehrenden auf www.yoga.at Entspannung nicht explizit angegeben haben. Vielleicht weil Entspannung für sie selbstredend zum Yoga dazugehört? Oder möglicherweise weil sie Entspannung als ausgewiesene und spezialisierte Methode, wie zB Yoga-Nidra, nicht unterrichten?

Nicht nur einmal habe ich das Feedback bekommen, bei mir könne man so gut entspannen. Also ja, die Botschaft kommt an, aber ist es eher ein Effekt des Übens und nicht die Methode selbst? Nicht umsonst üben Millionen Menschen weltweit Yoga – weil sie sich entspannen möchten! Wenn ich meine Arbeit reflektiere, wird mir klar, dass ich allerdings sehr wohl in meinem Unterricht bewusste Entspannungspunkte setze, und zwar von Anfang an:

 

Anfangsentspannung
Die Yogastunde beginnt mit dem Ankommen im Körper. Man betritt quasi die Hotellobby, atmet aus, lässt die Koffer fallen. Ahh – ein langer Ausatem, ein Seufzen, ein Gähnen, ein erstes Lösen von spürbarer Anspannung, vor allem von den Schultern abwärts.


Exkurs: Gähnen als lustvoller Entspannungstreiber

Gähnen solo oder in Kombination mit genüsslichem Schulterkreisen oder Seitdehnungen ist ein genialer Stresslöser und somit auch ein kräftiger Entspannungsimpuls. Der Österreicher Peter Cubasch hat dazu sogar eine eigene Methode entwickelt, das CHASMO-Training, eine Empfehlung für alle gähnfreudigen Yog_inis ( https://www.cubasch.com/ ).

Wird das Gähnen mit der Mobilisierung im Schulterbereich im Liegen angesagt, so sind wir schon bei einer meiner Lieblingsübungen: Das spiraldynamisch gedrehte Krokodil, dynamisch ausgeführt, wobei der obenliegende Arm ganze Kreise ausführt, die Hand am Boden, schleifend oder krabbelnd. Katja Kellner hat uns diese Variante in der Ausbildung beigebracht, ich übe sie also seit bald 20 Jahren. Man kann sich locker fünf Minuten oder auch länger pro Seite einlassen und dabei gähnen und dehnen. Und dann kullern auch schon mal die Tränen, nicht Tränen der Traurigkeit, sondern der Entspannung – eine Wohltat, auch für die Augen, die auf diese Weise entspannt und befeuchtet werden!


Zwischenentspannung, um die Körperantwort zu vertiefen
Jedes Asana hinterlässt spürbare Wirkungen. Im Nachspüren können wir diese Erfahrungen bewusst wahrnehmen und mit dem Aus- und Einatem vertiefen. Im Liegen geht das natürlich besonders gut, weil man in der Rückenlage dann noch Gewicht an den Boden abgeben und in der Bauchlage gefühlt Restanspannung von der Körpervorderseite in den Boden hineinschmelzen kann. Ich spreche gerne davon, dass ich meine „Zuckerseite“ in den Boden schmelzen lasse. Aber nicht nur Vorder- und Rückseite als gefühlt Ganzes, sondern auch einzelne Energiebahnen werden spürbar. Der Atem, besonders der Ausatem, hilft mir, diese Bahnen zu vertiefen – Weite und Länge ins Nachspüren zu bringen. Ich imaginiere öfters ein Bachbett, das jetzt wieder ausgeputzt ist und worin ein Bächlein munter durchplätschern kann, statt irgendwo aufgrund von Blockaden zu versickern.

Entspannung in Asana, um noch besser in der Haltung anzukommen
Natürlich sprechen wir Yogalehrende auch die Möglichkeit an, in der Haltung selbst Entspannungsimpulse zu setzen. Wenn wir dynamisch üben, lassen wir es leichter, fließender, entspannter werden, lassen uns vom Atem tragen, hingebungsvoll. Wenn wir statisch üben, können wir bewusst einzelnen Körperteilen den Impuls zum Lösen geben, damit sich die Haltung noch angenehmer anfühlt – stabil nach unten und leicht nach oben. Ein Tipp, der immer Sinn macht, ist, in den Schultern loszulassen, weil sich dort ja immer Anspannung festkrallt. Auch die Öffnung in den Hüften und überhaupt der Fluss durch die Gelenke kann als entspannend erlebt werden. Blockaden bauen Spannung auf – sind sie erst einmal weggeräumt, kann sich Wohlspannung breitmachen.

Schlussentspannung
Die Endentspannung in shavasana soll in dieser Liste nicht fehlen, damit die Teilnehmer_innen noch Zeit haben, die guten Erfahrungen zu integrieren. Leitet die gute Botschaft von Zelle zu Zelle weiter: Entspannung tut gut! Ich gebe manchmal noch eine Idee mit auf den Weg, zB den Fokus der Stunde oder bereite savasana mit einer vertiefenden Energielenkung wie der Seesternatmung oder einer Punktentspannung vor.

Soweit meine Überlegungen zum Thema Entspannung. Vor allem ging es mir darum aufzuzeigen, dass Entspannung ein integraler Bestandteil jeder guten Yogapraxis sein sollte. Entspannung passiert nicht auf Knopfdruck, sondern braucht Zeit, ist ein Prozess, der am Stundenbeginn angestoßen werden sollte. Mit jeder entspannten Schicht Körper und Geist kann das Darunterliegende zum Vorschein kommen, das wieder entspannt bzw. gereinigt werden möchte. Wie beim liebevollen Putzen eines Gartensalates…