Schreiben in digitalen Zeiten

Dieser Text erscheint in der Stadtzeitung „Hainfelder“, Ausgabe 1/2022

Dagmar Rosenkranz und Alexandra Eichenauer-Knoll haben unabhängig voneinander in kurzem Abstand ihr erstes Buch veröffentlicht. Beide kennen und schätzen sich schon lange. Dagmar Rosenkranz bietet Schreibworkshops an, Alexandra Eichenauer-Knoll neben Yoga auch Lesekreise, auf www.tintenblau.at treten beide mit ihren Angebote als Team auf. Hier unterhalten sich die zwei Hainfelderinnen über ihre Erfahrungen mit ihrem ersten Buchprojekt.

 

Alexandra: Liebe Dagmar, du hast dein erstes Buch mit book on demand herausgebracht, eine Methode, die seit Mitte der 1990er Jahre angeboten wird und ermöglicht, dass Bücher im Digitaldruck bereits in kleinsten Auflagen gedruckt werden können.
Dagmar: Eigentlich bin ich am Thema Digitalisierung gar nicht interessiert. Denn ich schreibe alle Texte, ausgenommen Email-Schriftverkehr, von Hand. Bei mir fließen Gedichte und Kurzgeschichten also effektiv aus der Hand. Das hat auch mit meiner Ausbildung für Biblio- und Poesietherapie zu tun, da geht es ja um automatisches, assoziatives, freies Schreiben und da soll man von Hand schreiben, um das Unbewusste zu triggern. Bei dieser Art zu schreiben geht es nicht um Formulierung, Textgenauigkeit oder Rechtschreibung, sondern du sollst einfach alles niederschreiben, was dir gerade in den Sinn kommt. Alle Texte in meinem Buch sind aus einem Guss. So wie ich es hingeschrieben habe, bleibt es. Das Tippen ist dann nur mehr eine Umsetzung in eine digitale Form, da wird nicht mehr an Formulierungen gefeilt.

Alexandra: Wie kam die Idee zum Buch?
Dagmar: Mir liegen Freunde und alle, die meine Texte auch von Wettbewerben kennen, schon lange mit diesem Wunsch in den Ohren, vor allem meine Tochter. Jetzt während Corona habe ich gesagt, ich mache es. Ich habe meiner Tochter in einem Schwung alle Texte geschickt, sie hat sie formatiert und auf die Plattform mymorawa hochgeladen. Das Cover gestaltete ein Grafiker des Verlags nach meinen Vorstellungen. Drei Tage später war das Buch zur Veröffentlichung freigegeben. So gesehen ist die Digitalisierung ein Segen! Ich finde, book on demand ist auch aus Gründen der Nachhaltigkeit sinnvoll, weil gerade bei Lyrik keine große Nachfrage besteht. So gibt es immer nur ein Buch für den, der sich wirklich dafür interessiert.

Alexandra: Und angesichts der Papierverknappung ist das Thema zusätzlich brisant geworden! Mein Buch erscheint in einem bayrischen Verlag, der auf Spiritualität und Gesundheit spezialisiert ist. Die Erstauflage beträgt 2.000 Stück. Ich schreibe über Yogaethik und Yogameditation im Kontext von sozialer Verantwortung. Vom Einlesen im Juli 2020 bis zur Bucherscheinung im März 2022 hat es nicht ganz zwei Jahre gedauert. Der erzwungene Rückzug der Lockdowns war mir sicher hilfreich. Eigentlich wollte ich ja nur zwei Workshops für eine Yogakonferenz vorbereiten, und dann kaufte ich alle Bücher, wo Verantwortung im Titel stand, das Thema zog mich in seinen Bann. Mir wurde dabei auch klar, dass sich der Verantwortungsbegriff im Laufe der Geschichte gewandelt hat. Im Hainfelder Protokoll 1888/89 kommt er gar nicht vor, dafür öfters die Pflicht, sogar von „Heiliger Pflicht“ ist die Rede. Das brachte mich dazu, auch ein Kapitel über die Geschichte der sozialen Verantwortung zu schreiben.

Dagmar: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Verlag?
Alexandra: Spannend, ich habe viel gelernt! Die Juniorchefin meinte zu mir, es ist wie in einer Ehe, jeder gehe ein Risiko ein, der Verlag und der Autor. Vertrauen ist also ein wichtiges Startkapital! Bis jetzt geht es sehr gut, meine Lektorin war auch sehr nett, wir haben stundenlange Telefonate geführt. Nur beim Cover, da habe ich gemerkt, jetzt reden Leute mit, die ich gar nicht kenne. Das Buch muss am Büchertisch funktionieren und die erwartete Zielgruppe ansprechen.

Dagmar: Bei mir funktioniert die Bewerbung nur über Mundpropaganda und das recht gut. Unlängst meldeten sich Leute aus Tirol, die es als Geschenk bekamen und mir gratulierten. Eine Frau schrieb, dass sie, wenn sie nachts nicht schlafen könne, eine Seite aufschlage. Das beruhige sie und dann können sie wieder weiterschlafen…
AE: Ein schönes Feedback!

Alexandra: Ja, man entlässt die Texte in die Welt, wird aber nie alle Reaktionen vorhersehen können…
Dagmar: Schon bei den Preisverleihungen waren die Reaktionen auf meine Texte so, dass mir klar wurde, dass jede und jeder ihres bzw. seines liest, versteht und interpretiert. Daher denke ich, es wird Menschen geben, die mir nahestehen und mich bzw. meine Geschichte erkennen. Aber jemand, der mich nicht kennt, liest das, was er selbst daraus macht.

Alexandra: Mein Text ist ganz anders, doch jetzt, wo ich darüber nachdenke… Es gibt Stellen, die vielleicht Ähnlichkeiten mit deinem Buch haben könnten. Es geht mir ja um die Frage, wie man Moral üben kann. Dazu habe ich ganz persönlich erlebte Geschichten niedergeschrieben, um eine Art zu üben und zu denken aufzuzeigen, zB zum Thema Gewaltfreiheit in Kombination mit Gleichmut. Das sind wohl die intimsten Stellen, weil ich nachgespürt und das Gefühlte dann auch in einem Guss niedergeschrieben habe. Diese Texte versuchen auch meine Zweifel, Ängste und Fehler zu thematisieren, keinesfalls will ich moralisieren und irgendetwas besser wissen. Meine Geschichten sollen nur zum Tieferdenken der LeserInnen anregen.